Kampagne 2010

Die Grabungen des Jahres 2010 im Kontext der bisher erzielten Resultate:

Die diesjährigen, im Rahmen der Didyma-Expedition durchgeführten Feldforschungen auf Tavşan Adası und die gleichzeitige Aufarbeitung der Funde fanden vom 26. 08. bis zum 1. 10. statt. Der Hauptschwerpunkt der Untersuchungen lag in der Klärung der Hausstrukturen der Phasen TA4 und TA3 und der Konkretisierung der einzelnen Raumkomplexe. Zahlreiche Neufunde ermöglichen, die überregionale Einbindung des Fundortes innerhalb des südägäischen Netzwerkes während dieser Zeit klarer noch deutlicher herauszustellen. Erforscht sind nunmehr ca. 650m² in vier verschiedenen Bereichen der Insel. Die Erzielten Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Tavşan Adası 7 (TA7): Nach dem Fund osmanischer Silbermünzen (Suleyman der Große) im Humus von Areal D18 NO im Jahr 2009 wurden keine weitere Hinweise auf Siedlungsaktivitäten oder andere Funde nachgewiesen.

2. Tavşan Adası 6 (TA6): Die jüngste Siedlungsaktivität bleibt nach wie vor auf einen kleinen Bereich im Osten und Norden der Insel beschränkt. Bis 2009 sprachen die schlecht erhaltenen Architekturreste für eine lockere Bebauung mit kleinen Gebäuden. Allerdings wiesen die stark gestörten, spätantiken/frühbyzantinischen Bauten mit kalkgemörteltem Mauerwerk Elemente kleine Sakralbauten auf. Ein bereits 2007 in Areal D18 freigelegter frühbyzantinischer Brunnen führt heute Meerwasser. Zur Zeit seiner Nutzung war die Insel also noch mit dem Land verbunden, da nur so Süßwasser an dieser Stelle austreten konnte. Somit verfügen wir über einen terminus post quem für das Absacken der Küste um ca. 2,0 m im 6. Jh. nach Chr..
Funde: Fragmente typischer Gefäßkeramik und Dachziegel, eine bronzene Lampenkette, Münzen, diverse Architekturfragmente so z.B. eine Marmorsäule mit gedrehter Kannelur und eine Doppelsäule. Letztere stammt von einem Gebäude, das wir in diesem Jahr z.T. freigelegt haben. Dabei handelt es sich um eine frühbyzantinische Kirche mit kreuzförmigem Grundriss und rundem Chorabschluss: Fragmente typischer Gefäßkeramik, Dachziegel, bronzener Lampenketten, Glasschalen bestätigen den sakralen Charakter.

3. Tavşan Adası 5 (TA5): Ebenfalls im Osten der Inseln kam im Bereich der östlichen Abbruchkante der Rest eine Mauer zum Vorschein, die sich anhand der sie begleitenden Gruben als archaisch erwies (Vogelschalen, Schwarzfirnisware, Fikelura-Scherben usw.). Der Befund und die Funde liefern erstmals einen Hinweis auf eine archaische Bebauung, die sich aber offensichtlich auf dem inzwischen weggespülten Landrücken befunden haben muss.

4. Tavşan Adası 4 (TA4): Die Grabungen konzentrierten sich in den Arealen D17-D19, C17 und C18 auf die vollständige Freilegung des großen aus mehreren Räumen bestehenden zweiphasigen Gebäudes der jüngeren kretischen Palastzeit. Das Gebäude kann als zweigeschossiges, typisch kretisches Stadthaus rekonstruiert werden. Das Erdgeschoss umfasst Magazine und Handwerksbereiche und ist steingemauert während die Belleétage aus Lehmmauern bestand. Das sehr einheitliche archäologische Material findet Entsprechungen in der minoischen Formenwelt der Süd- und Ostägäis. Anatolische Elemente fehlen vollständig! Wie in Milet sind tatsächliche Importe (teilweise von hoher Qualität) und regionale "minoische" Waren belegt. Sie lassen sich mit den Phasen MMIII/SMIa auf Kreta und der Phase 4a in Milet verbinden. Herausragender Befund in diesem Jahr ist ein Gefäßdepot bestehen aus mehreren ganzen Tassen und einem großen "Mischgefäß". Erneut wurden an mehreren Gefäßen vor dem Brand eingeritzte Linear A Schriftzeichen entdeckt. Befunde und Funde lassen Tavşan Adası als einen wichtigen Handels- und Produktionsort innerhalb des südägäischen Kommunikationsnetzwerkes erkennen. Die in diesem Jahr freigelegten Versturzschichten bestätigen eine Tsunami-bedingte Zerstörung des Gebäudes.

5. Tavşan Adası 3 (TA3): In den Arealen C10-C13 und B13 wurden der seit 2008 angeschnittene Gebäudekomplex großflächiger freigelegt. Die einheitlich nach den Kardinalpunkten ausgerichteten Räume sprechen für eine zentrale Planung. Die auffallend gut gesetzten Schalenmauern umfassen Räume von beachtlicher Größe (bis zu 50 m²). Besonderes Augenmerk verdient ein Werkstattbereich in Areal B13 mit großen in den Untergrund eingetieften Öfen in Verbindung mit Hinweisen auf metallurgische Tätigkeiten. Minoische Webgewichte, Spinnwirtel und Purpurschnecken deuten für die Räume in Areal C12 eine Funktion als Textilwerkstatt an. Stratigrafie und Baubefunde lassen zwei Bauphasen erkennen. Die Gefäßkeramik (insbesondere Kamares-Scherben, typische Tassen- und Schalen, Kochgeschirr) ist bestens mit der älteren Palastzeit auf Kreta (MM Ib/MM II) und Milet 3 zu verbinden während im Gegensatz zu den Funden in Milet auf Tavşan Adası Anatolisches fehlt.

6. Tavşan Adası 2 (TA2): In den Arelalen C13 und B13 wurde in diesem Jahr das unter dem ältesten Fußboden der älteren Palastzeit gelegene anders orientierte Megaron-Gebäude weiter verfolgt. Leider ist ein Teil der Wände jüngerem Steinraub zum Opfer gefallen. Die Funde sind stark anatolisch geprägt, lassen aber süd- und ostägäische Einflüsse (frühkykladisch II/III, bzw. frühminoisch II/III) erkennen lassen. Die im Jahr 2009 begonnene Nordsondage wurde in diesem Jahr um drei Meter nach Süden vergrößert. Dabei zeigt sich dass zwischen TA3 und TA2 offensichtlich ein Hiatus existiert. Dieser sehen wir zum jetzigen Zeit der Auswertung als weiteren Hinweis darauf, dass es zwischen der Frühbronzezeit und der Mittelbronzezeit einen Bevölkerungsaustausch gegeben hat.

7. Tavşan Adası 1 (TA1): Auch in diesem Jahr konnte keine Schicht mit ausschließlich grob mit Häcksel gemagerter, reduzierend gebrannter und mit einem roten Überzug versehener Ware festgestellt werden. Somit bleibt nach wie vor fraglich ob es sich dabei um eine chalkolithische oder nicht eher um eine frühbronzezeitliche Funktionsware handelt.

 

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