Kampagne 2007

Die Grabungen des Jahres 2007 im Kontext der bisher erzielten Resultate:

Vom 25. August bis zum 5. Oktober fanden im Rahmen der Didyma-Expedition des DAI Feldforschungen auf Tavşan Adası statt. Mit der diesjährigen Grabung konnten die stratigrafischen Verhältnisse präzisiert, die chronologische Stellung konkretisiert und die kulturgeschichtliche Bedeutung des Fundplatzes herausgestellt werden. Außerdem wurden die Insel sowie der benachbarte Küstenstreifen vermessen und mit einem Netz von 20 Referenzpunkten überzogen. Dadurch ist auch bei Verlust mehrerer Messpunkte das Arealsystem wieder rekonstruierbar. Weiterhin wurde ein digitaler 3D-Geländeplan der Insel erstellt. Vor der Grabung wurden an der Ostspitze sowie in der Mitte der Insel ca. 500m² abgeholzt. Archäologisch erforscht wurden insgesamt 300m². Schließlich wurden Insel und Küste von Tobias Höfig im Rahmen einer Diplomarbeit geologisch untersucht, Bohrprofile durch die Sedimentschichten angefertigt sowie die Herkunft der in den einzelnen Schichten verbauten Steine bestimmt.

Wichtige Resultate in chronologischer Reihenfolge:

1. Tavşan Adası (TA6): Die jüngste Siedlungsaktivität bleibt offensichtlich auf einen kleinen Bereich im Osten der Insel beschränkt. Der in Areal D18 freigelegte frühbyzantinische Brunnen führt heute Meerwasser. Zur Zeit seiner Nutzung war die Insel also noch mit dem Land verbunden, da nur so Süßwasser an dieser Stelle austreten konnte. Somit verfügen wir nunmehr über einen terminus post quem für das Absacken der Küste.

2. Tavşan Adası (TA5): Neben den spärlichen Indizien der Grabungskampagne 2006 fanden sich keine weiteren Belege für eine „Besiedlung“ in antiker Zeit. Allerdings stellten Tobias Höfig und Francois Bertemes bei einem Tauchgang ca. 250m südwestlich der Insel in sieben Meter Tiefe die Überreste eines antiken Wracks fest.

3. Tavşan Adası (TA4): Die diesjährigen Grabungen bestätigen, dass auf weiten Teilen der Insel unberührte bronzezeitliche Schichten unmittelbar unter dem Humus anstehen. Die jüngsten bronzezeitlichen Ablagerungen zeichnen sich auf der gesamten Insel durch ein rötlichbraunes Schichtenpaket aus. In den Arealen D17 und D18 wurden die Reste eines NO-SW orientierten Gebäudes mit schmal langrechteckigen Räumen angeschnitten, das im Westen an den hier hochziehenden Felsen angebaut ist. Das Gebäude ist am ehesten als Magazin zu deuten. Die Mauern waren im Schnitt 60cm breit, aus mehreren Lagen in rötlichbraunem Lehm verlegter, ortsfremder Steine gebildet, die wohl ehedem mit einem aufgehenden Mauerwerk aus Lehmziegeln versehen waren. In den oberen Grabungsplana waren die Mauern nur schwer von den in die Räume verstürzten Steinen zu trennen. In diesem Jahr konnte in allen Räumen der Begehungshorizont erreicht werden. Eine ONO-WSW ziehende Mauer schließt die Räume nach Süden ab. Darauf folgt eine Freifläche, die - wie die kleinteiligen, stark abgerollten und versinterten Scherben inmitten von Steinschotter andeuten – als von der Landzunge auf die Anhöhe hochziehende breite Straße zu interpretieren ist. Der Befund zeigt, dass die Räume vor ihrer Zerstörung gründlich leer geräumt worden waren. Das archäologische Material im Versturz ist hingegen sehr einheitlich: anatolische Elemente fehlen nahezu vollständig, während die Masse der Keramik minoisch anmutet. Neben minoischen Importen, insbesondere aus der Messara- Ebene und aus Ostkreta, kommen auch solche aus des Ostägäis vor. Zahlreiche conical cups, typische cooking pots, große ostägäische Leistenamphoren, carinated bowls und vor allem Bronzetassen imitierende feine Tongefäße minoischer Prägung sowie ägyptische Steingefäße imitierende kugelige Tongefäße sprechen für eine Siedlung von überregionaler Bedeutung und weitreichenden südägäischen Beziehungen. Das Material lässt sich gut mit MMIII/SMIa und Milet 4a verbinden. Jegliche Hinweise auf eine „mykenische“ Besiedlung fehlen.

4. Tavşan Adası (TA3): In den Arealen C10 und C11 sowie nach dem Abgraben der rötlichbraunen Schicht in den Arealen D17 und D18 konnte eine zweite bronzezeitliche Schicht freigelegt werden. Sie zeichnet sich durch ein graubraunes Schichtenpaket aus, das mit zahlreichen Kalkpartikeln durchsetzt und von Tavşan Adası (TA4) durch einen in den meisten Böschungsprofilen deutlich erkennbaren Schichtentrenner abgesetzt ist. In Areal D18 NW fanden sich Hinweise auf Lehmziegelarchitektur und auf mit Kalk verputzte Wände. Diese Strukturen konnten in diesem Jahr allerdings nicht weiter verfolgt werden. Eine von ONO von D19 in D18 SO hineinziehende Mauer von beachtlichen 1,10m Breite beeindruckt durch ihre sauber gesetzte Front aus großen Steinblöcken und ihrer rückwärtigen Hinterfütterung mit kleineren Steinen und erinnert an kretisches Mauerwerk gleicher Zeit. In den Arealen C11 und C10 kam der nördliche Abschluss zweier Räume zum Vorschein, deren Südteil der Erosion zum Opfer gefallen ist. Stratigrafie und Baubefunde lassen mindestens zwei Bauphasen erkennen. Mehrere Kamares-Scherben sowie insbesondere auch das Tassen- und Schalenspektrum sind bestens mit der älteren Palastzeit auf Kreta zu verbinden. Eindeutig anatolische Elemente fehlen! Besonders der Anteil an Feinkeramik verblüfft, weshalb wir an dieser Stelle wohl mit einem Wohnbereich zu rechnen haben. Das Material lässt sich gut mit Milet 3 abgleichen.

5. Tavşan Adası (TA2): Ein bis zu 30 cm mächtiges, frühbronzezeitliches Schichtenpaket scheint unmittelbar auf dem Felsen aufzuliegen. Das wenige Material, das uns bislang aus den Böschungsprofilen zur Verfügung steht, kann am ehesten mit den Phasen EBA II und EBA III nach der anatolischen Chronologie verbunden werden. Der Nachweis von kykladischem Import (Fragment eines naxischen Marmorkelches, „Ohrstöpsel“ bzw. Spule aus Marmor, kykladische Tonscherben, Rohling zur Herstellung einer Schminkpalette aus Plattenfeuerstein) sprechen für einen bereits in dieser Zeit überregional wichtigen Siedlungsplatz, der in ein weit gespanntes Kommunikationsnetzwerk eingebunden war, auch wenn eine gewisse anatolische Prägung unverkennbar bleibt.

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