Kampagne 2009

Die Grabungen des Jahres 2009 im Kontext der bisher erzielten Resultate:

Die diesjährigen, im Rahmen der Didyma-Expedition durchgeführten Feldforschungen auf Tavşan Adası und die gleichzeitige Aufarbeitung der Funde fanden vom 26. 08. bis zum 2. 10. statt. Erforscht sind nunmehr in unterschiedlichen Schichten (TA7 bis TA1, vgl. Bericht 2008) insgesamt 550m². Gegraben wurde in diesem Jahr in drei Bereichen.

Die Erzielten Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1) Im Norden wurde an der Abbruchkante ein 10 m langer und 3 m breiter stratigrafischer Schnitt bis auf den gewachsenen Felsen abgetieft. In dem 1,80 m hohen Südprofil sind unter der dünnen Humusschicht fünf Schichtpakete auszumachen. Die jüngste Schicht ist mit einer mächtigen O-W-verlaufenden Steinmauer zu verbinden und weist charakteristisches Material der Phase TA4 auf (jüngere kretische Palastzeit). Darunter folgt eine Schicht mit Hinweisen auf Brandzertörung, zu der eine Mauer identischer Orientierung und Material der Phase TA3 (ältere kretische Palastzeit) gehört. In beiden Fällen handelt es sich Schalenmauern von ca. 0,62 m Breite mit Hinweisen auf aufgehendes fein verputztes Lehmziegelmauerwerk. Es folgt eine bis zu 0.30 m mächtige Ausgleichschicht ohne Baubefunde und mit wenig archäologischem Material. Darunter breiten sich bis zum gewachsenen Felsen zwei Ablagerungen aus einer charakteristischen staubig schluffigen Erde aus, die jeweils mit einer Bauphase zu verbinden sind. Im Gegensatz zu TA3 und TA4 weist das bislang von uns als TA2 definierte keramische Spektrum beider Schichten starke anatolische Bezüge auf, wenn auch vereinzelte Importe sowohl kretischen und kykladischen Ursprungs sind. Der stratigrafische Befund zwingt zu einer Unterteilung in TA2a und TA2b. Der Anteil von Drehscheibenware nimmt nach unten hin kontinuierlich ab. Anatolisch/trojanische Parallelen verweisen für beide Schichten auf ein frühbronzezeitliches Alter (Troja IIg bis V bzw, EBA II bis III). Aus Sicht der kretischen Chronologie ist das Material vorpalastzeitlich und entspricht in etwa FMII bis FMIII/MMIa. Die Mauern beider Bauphasen sind kleinsteinig und weisen eine Breite von lediglich 0,40 m auf. Unmittelbar am Böschungsprofil war unter dem Fußboden eine bereits weitgehend aberodierten Raumes der Schicht TA2b ein Kind bestattet. Die Funde und Befunde dieser älteren Schichten stellen bislang das einzige stratifizierte Material dieser Zeit südlich der Mykale dar.

2) Im Süden (Areale C10-C13 und B13) wurden die bereits 2008 festgestellten Gebäudestrukturen der älteren kretischen Palastzeit (TA3) flächig weiterfolgt. Auch wenn sich wegen Steinraubstörungen der Gesamtplan noch nicht erschließen läßt, weisen die gut gesetzten Schalenmauern und die Reste von verstürztem, aufgehendem Lehmziegelmauerwerk auf ein großes komplexes Gebäude hin. Die Art der Architektur und das in den Räumen und Innenhöfen enthaltene Fundsprektrum der Phase TA3 finden Entsprechungen in der kretisch-minoischen Formenwelt. In Areal B13 konnte die nächstältere Schicht angegraben werden. Angeschnitten wurden die nur 0,40 m breiten, kleinsteinigen Fundamentmauern eines megaronartigen, typisch westanatolischenGebäudes. Aus dem Blickwinkel der Nordsondage handelt es sich um ein Gebäude der Phase TA2b.

3) Im Südosten (Areale D17-D19, C17 und C18) wurde das Gebäude der jüngeren kretischen Palastzeit (TA4) in seinen beeindruckenden Ausmaßen weitgehend erfaßt. Es handelt sich um ein nahezu quadratisches Gebäude von 15,5 x 15 m mit komplexer Innengliederung. Die bislang ergrabenen Räume erweisen sich als Magazinräume eines zweigeschossigen Gebäudes. Es fanden sich weitere Hinweise darauf, dass dieses Gebäude durch eine Flutwelle zerstört wurde.

Fazit: Vor allem die Stratigrafie der älteren Phasen TA1 bis TA3 konnte verfeinert werden. Der Siedlungsablauf zeigt sich modellhaft wie folgt: während der Frühbronzezeit (TA2) siedelte hier eine Bevölkerung mit kleinsasiatischem Hintergrund und Handelskontakten zur Südägäis. Die Siedlung wurde aus noch ungeklärten Gründen aufgelassen. Den Baumaßnahmen der Phase TA3 gingen umfangreiche Planierungsmaßnahmen voran. Die eng in die kretisch-minoische Formenwelt eingebunden Phasen TA3 und TA4 sind vermutlich auf Neuankömmlinge aus der Südägäis zurückzuführen. TA4 wird durch eine Flutwelle zerstört und der Platz danach in der Spätbronzezeit nicht mehr besiedelt.  

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