Kampagne 2006

Die Grabungen des Jahres 2006 im Kontext der bisher erzielten Resultate:

Vom 4. bis zum 29. September fand im Rahmen der Didyma-Expedition der Zentraldirektion des DAI eine Sondagegrabung auf der kleinen unmittelbar vor der Küste gelegenen kleinen Insel Tavşan Adası westlich von Didyma statt (Abb. 1). Die örtliche Grabungsleitung stand unter der Verantwortung von Prof. Dr. François Bertemes, Lehrstuhle für Prähistorische Archäologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Die Grabung hatte zum Ziel, die stratigraphischen Verhältnisse zupräzisieren, die Datierung zu konkretisieren, den Erhaltungszustand und die Bedeutung des Fundplatzes zu klären. Dafür wurde die Insel mit einem virtuellen Raster aus 10 m x 10 m großen Arealen überzogen und vier Referenzmesspunkte einbetoniert. Im Südosten der Insel wurde von dem gebüschfreien Areal D8 das NW- und SO-Viertel ganz und der nördliche Teil des SW-Viertels von Areal D18 (insgesamt 75 m²) bis in ca. 1 m Tiefe ausgegraben. An der östlichen Böschungskante wurde eine weitere Sondage (NO-Sondage) mit ca. 15m² untersucht und bis auf den anstehenden Felsen ausgegraben. Außerdem wurden die Böschungsprofile im Bereich der gegrabenen Areale vom Gestrüpp befreit, abgezogen und dokumentiert.

Die wichtigsten Resultate dieser ersten Testgrabung sind in chronologischer Reihenfolge:

1. Jüngsten Siedlungsspuren: Spätantik bis Frühbyzantinisch
Grabung:
NO-Sektor – Mauerreste einer kleinen Kirche(?), verstürzte Säule, verstürzte Dachziegel (Abb. 2); Areal D18 SO-Viertel – aus massiven Steinen mit Kalk gemörtelter Brunnen (Abb. 3) und eine Körperbestattung;
Oberflächenfunde: selten;
Böschungsprofil: spärlicher Schichtrest in der Mitte des südlichen Böschungsprofils;
Fazit: die jüngste Siedlungsaktivität bleibt auf eine kleine Fläche beschränkt.

2. Antike
Grabung: wenige kleine, sekundär verlagerte Scherben in der NO-Sondage ohne Befunde (archaisch, klassisch bis hellenistisch; aus der NO-Sondage stammt das Marmorfragment eines Schiffsreliefs (vermutlich eine Grabstele);
Oberflächenfunde: sehr selten; größeres Fragment einer verschleppten, vermutlich archaischen Marmortürschwelle in Areal E17;
Böschungsprofil: keinerlei Hinweis auf eine antike Schicht;
Fazit: vermutlich spürliche „Besiedlung“ in antiker Zeit.

3. Mittelbronzezeit
Die Befunde in Areal D18 sowie auch die Beobachtungen an den Böschungsprofilen zeigen, dass unberührte mittelbronzezeitliche Schichten unmittelbar unter dem Humus in weiten Teilen der Insel anstehen.

Grabung (Abb. 4): In Areal D18 wurde die Reste eines NO-SW orientierten Gebäudes mit schmal langrechteckigen Räumen ausgegraben. Eine rechtwinklig dazu verlaufende Mauer schließt die Räume nach Süden hin ab. Die Mauern waren bis zu 80 cm breit aus mehreren Lagen trocken verlegter Geröllsteine gebildet und wohl ehedem mit einem aufgehendem Mauerwerk aus Lehmziegeln versehen, wie Reste verbrannter Lehmziegel in der Verfüllung der Räume andeuten. In den zwei ersten Grabungsplana waren die Mauern nur schwer von den zahlreichen in die Räume verstürzt oder verf&auuml;llte Steine zu trennen. Die Bauschicht bzw. der Begehungshorizont konnten in diesem Jahr noch nicht ergraben werden. Das archäologische Material in dem Versturz ist einheitlich mittelbronzezeitlich und kann nach einer ersten Durchsicht mit der zweiten Palastzeit auf Kreta verglichen werden. Auch in der NO-Sondage stand unter der spätantiken Schicht eine befundfreie Ablagerung der Mittelbronzezeit an, vermutlich eine von O auf die Anhöhe hochziehende Straße.
Funde: Neben Conical cups, typischen Cooking pots, großen Vorratsgefäßen, carinated bowls sind vor allem Scherben von minoische Bronzetassen imitierenden feinen sowie ägyptische Steingefäße imitierenden kugeligen Tongefäßen zu nennen. Die südlich anschließende Freiflächen zeichnet sich durch zahlreiche kleine, stark abgerollte mittelbronzezeitlichen Scherben aus.
Oberflächenfunde: auf der gesamten Insel finden sich zahlreiche mittelbronzezeitliche Scherben.
Böschungsprofil: fast im gesamten Verlauf ist ein bis zu 1 m mächtiges Schichtenpaket mit meist mehreren Schichten zu erkennen.
Fazit: Dichte geplante Bebauung. Die angeschnittenen Gebäudereste sind am ehesten als Magazine zu deuten. Die Funde sprechen für eine Einbindung der Siedlung in ein weit gespanntes Kommunikationsnetzwerk. Funde und Befunde deuten auf eine Siedlung von überregionaler Bedeutung.

4. Frühbronzezeit
Grabung:
Oberflächenfunde: -
Böschungsprofil: Zwischen Mittelbronzezeit und Frühbronzezeit, die weder in der NO-Sondage noch in Areal D18 erreicht wurde, schiebt sich eine Zerstörungsschicht, gefolgt von einer nahezu fundlosen Schicht (Hiatus?) ein. Das frühbronzezeitliche Schichtenpaket liegt unmittelbar auf dem Felsen auf. Es ist unterschiedlich mächtig ausgeprägt und weist ebenfalls mehrere Bauphasen auf.
Funde: Lokale „spätchalkolithische“ bzw. Frühe frühbronzezeitliche Keramik. Besonders wichtig ist der Nachweis von kykladischem Import (Fragment eines Marmorkelches, „Ohrstöpsel“ bzw. Spule aus Marmor, kykladische Tonscherben, Rohling zur Herstellung einer Schminkpalette aus Plattenfeuerstein).
Fazit: Die Funde sprechen für einen überregional wichtigen Siedlungsplatz, der in ein weit gespanntes Kommunikationsnetzwerk eingebunden ist.

 

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