Holozäne Paläoökologie und Geoarchäologie

Untersuchungsziele der Arbeitsgruppe Holozäne Paläoökologie und Geoarchäologie, Universität Kiel, Institut für Ökosystemforschung:

Allgemeines Ziel der bodenkundlich-geomorphologischen und geoarchäologischen Untersuchungen in der Umgebung von Tavşan Adası ist die Rekonstruktion der holozänen Landschafts– und Umweltgeschichte der umgebenden Küstenlandschaft.
Dabei stehen einerseits die auf den Einfluss wirtschaftlicher Aktivitäten prähistorischer Siedler zurückzuführenden Veränderungen im Fokus. Bei Auffinden geeigneter „Archive“ gehören dazu nachweisbare Veränderungen der Vegetation, des Reliefs und der Böden. Die geomorphologischen und geoarchäologischen Archive sind datierbare Sequenzen von holozänen Sedimenten, beispielsweise Stillwassersedimente mit See- oder Lagunencharakter (geeignet als Pollenarchive, Archive des Eintrags durch Bodenerosion), Sequenzen von Fluss- oder Bachsedimenten, Hangsedimenten und begrabenen Böden (geeignet als Archive der Bodenentwicklung, Bodenerosion, Reliefgeschichte; Holzkohlenarchive).
Während das Sediment von See- oder Lagunenablagerungen mittels Bohrung gewonnen wird, erfolgt zur Untersuchung von Bach-, Hangsedimenten und begrabenen Böden in der Regel die Anlage größerer Aufschlüsse. Diese werden zur möglichst vollständigen Erfassung der Sedimentschichten und begrabenen Böden durch Bohrungen ergänzt.
Nach Ansprache und Dokumentation mit Feldmethoden sind für jede Art von Rekonstruktion zunächst Datierungen der Sedimentsequenzen durchzuführen. Dazu werden Alterseinstufungen aufgrund eingebetteter Artefakte, Radiokohlenstoffdatierungen oder Lumineszenzdatierungen durchgeführt.
Schließlich stehen je nach Sedimenttyp und Untersuchungsfrage jeweils unterschiedliche Labormethoden zur Untersuchung und der Gewinnung von Paläoumweltinformationen zur Verfügung.
Archäologischer Befund (Abruptes Besiedlungsende nach Spätminoisch Ia) und der naturräumlichen Lage der Siedlung (Küste in relative Nähe zu Santorini/ Thera) ergibt sich eine besondere Frage an die Geomorphologen und Geoarchäologen: Lassen sich in der näheren Umgebung der Haseninsel datierbare Belege für einen Tsunami finden (in Verbindung mit der Thera-Eruption)?
Diese können sich in Form von charakteristischen, je nach Standort jedoch recht unterschiedlichen Ablagerungen in der küstennahen Landschaft erhalten haben. Dominey-Howes(2004) stellte folgende Liste zusammen: Erosionsdikordanz an der Basis eines Sedimentkörpers, im unteren Bereich der Ablagerung große aufgearbeitete, geschichtete  Gesteinstrümmer, Reste mariner Lebewesen  (makroskopisch- Muscheln, Korallen, mikroskopisch- Diatomeen, Foraminiferen), nach oben hin feiner werdendes Sediment, Einregelung der im Sediment enthaltenen gröberen Bestandteile entsprechend der Strömung. Da große Teile der die Insel umgebenden Landschaft nach-bronzezeitlich landwirtschaftlich genutzt worden sind, ist die Chance solche Ablagerungen an der heutigen Oberfläche anzutreffen sehr klein. Die mutmaßliche nach-bronzezeitliche Nutzung wird zur Erosion solcher Spuren vor allem an den Hängen geführt haben. Nach in situ erhaltenen Reste solcher tsunamigener Ablagerungen wird deshalb neben in oberflächlichen Begehungen (geomorphologische surveys) vor allem in den ausgedehnten Aufschlüssen von Bach-, Hangsedimenten und begrabenen Böden in den angrenzenden Tälern gesucht, wo diese durch andere Sediment begraben worden sein könnten.
Im Jahr 2011 wurden Standorte gefunden, welche die für die geschilderten paläoökologischen Untersuchungen notwendigen Geoarchive aufweisen.
Am Strand (Orman Kampesisi), nahe der Insel wurde eine wenigstens 3m mächtige viel versprechende Sediment-Sequenz erbohrt, die derzeit im Labor untersucht wird (Bild 1).
Das Feinsediment könnte sich in einer ehemaligen Lagune abgesetzt haben, und durch kontinuierliche Wassersättigung Pollen enthalten.
In einem benachbarten Bachtal wurden mächtige Bach- und Hangsedimente angetroffen (Bild 2).

Bild1 Bild2

Im oberen Bereich dieser Sedimentsequenz sind gerundete römische Scherben eingebettet. Darunter liegen aber noch mehrere (?) Meter älteres Sediment. Die Datierung und Untersuchung dieser Sedimente und begrabener Böden kann Aufschlüsse liefern über Zeitpunkt und Intensität der durch die prähistorischen Siedler ausgelösten Bodenerosion und damit Hinweise zur Landschaftsnutzungsgeschichte liefern. Begrabene Böden liefern Hinweise auf die Fruchtbarkeit der Böden, welche die prähistorischen Siedler ackerbaulich genutzt haben. Möglicherweise finden sich eingebettet in diesen Sedimentsequenzen auch Zeugnisse ehemaliger Tsunamis.

Zur Arbeitsgruppe gehören:
Dr. Stefan Dreibrodt, Universität Kiel, Institut für Ökosystemforschung- Geomorphologie, Sedimentologie
Dr. Carolin Lubos, Universität Frankfurt/M., Institut für Geographie - Geoarchäologie
Dr. Oliver Nelle, Universität Kiel, Institut für Ökosystemforschung – Paläobotanik